„Was machst du eigentlich wenn du unterwegs etwas nachkaufen musst? Nimmst du die Waage mit?“, fragt mich ein Freund. Ich bin gerade dabei meinen Rucksackinhalt auf der Küchenwaage zu wiegen. Einzeln. Die Werte trage ich grammgenau in eine Excel-Tabelle ein: Unterhose 43 Gramm, Zahnpastatube (voll) 41 Gramm, Handy-Ladegerät 35 Gramm. Und so weiter. Spätestens ab diesem Punkt wird man von Anderen zumindest schief angeschaut oder gleich als verrückt bezeichnet.
In dieser Episode geht es mal wieder um das Abnehmen. Es folgt der zweite Teil der Trilogie „Gepäck-Diät“. Heute: für Fortgeschrittene.
Im ersten Teil „Gepäck-Diät für Anfänger“ habe ich empfohlen einen kleineren Rucksack oder Koffer zu benutzen (klicke hier um die Episode zu lesen). Ich habe behauptet dass man mit einem kleineren Gepäckstück automatisch weniger mitnimmt weil man gezwungen ist sich auf die wichtigen Sachen zu fokussieren. Es geht also darum Limits zu setzen.
Mein Limit: Nur mit Handgepäck reisen
Die Anfänger-Frage „Geht das auch einfacher?“ hat bei mir dazu geführt dass ich nur ein Gepäckstück statt den üblichen zwei Gepäckstücken mitnehmen wollte. Üblich sind ja zumeist ein Koffer als Hauptgepäck und ein Rucksack als Handgepäck. Es sollte das Handgepäck sein.
Obwohl ich überwiegend per Bahn und Schiff reisen wollte habe ich mich bei der Definition des Begriffs Handgepäck an den Fluggesellschaften orientiert. Das sind beispielsweise bei der Lufthansa maximal 55 x 40 x 20 Zentimeter und 8 Kilogramm.
Abnehmen mit dem Beobachtereffekt
Nachdem ich mir damit ein messbares Limit gesetzt hatte habe ich folgendes gemacht:
- Ich habe eine grammgenaue Waage genommen, meinen gesamten Rucksackinhalt abgewogen und in eine Tabelle eingetragen
- Bei neuen Anschaffungen die ich auch auf reisen mitnehmen wollte habe ich auf Gewicht und Packmaß geachtet und nach den leichtesten Produkten gesucht die auf dem Markt verfügbar sind. Viele Ausrüstungsläden wie beispielsweise Bergzeit und Globetrotter geben das Gewicht in den Produktbeschreibungen an.
- Die schwersten Sachen habe ich zuerst ersetzt.
Alleine mir das Gewicht der einzelnen Gegenstände bewusst zu machen war schon sehr interessant. In der Quantenphysik bezeichnet man dies als Beobachtereffekt. Ein Teilchen verändert sich sobald man es beobachtet. Oder buddhistisch ausgedrückt:
“Achtsamkeit erhellt und verwandelt” ~ Thich Nhat Hanh
Ich habe festgestellt dass ich für eine einzige 760 Gramm schwere Jeans alternativ fast zwei Trekkinghosen mitnehmen könnte. Da wiegt eine nur 403 Gramm. Davon und von weiteren Erkenntnissen war ich gleichzeitig so erschüttert und begeistert dass ich schrittweise meine ganze Ausrüstung erneuert und erleichtert habe.
Bis ich alle Ausrüstungsgegenstände hatte war ich sehr skeptisch ob ich mein Ziel erreichen würde. Bei meiner ersten Rucksackreise durch Skandinavien im Sommer 2008 hatte ich für zweieinhalb Wochen rund 19 Kilogramm Gepäck dabei. Nun wollte ich sechs Monate lang mit 8 Kilogramm Gepäck verreisen. Größte Herausforderung war das Bekleidungskonzept (klick hier um mehr darüber zu erfahren) das für viele Klimazonen vom sibirischen Winter bis zum tropischen Thailand für alle Klimazonen geeignet sein musste. Klappt das?
Nur mit Handgepäck reisen funktioniert
Ich habe den Rucksack zuletzt gekauft. Zu meinem Erstaunen hat tatsächlich alles hinein gepasst. Mein leerer Rucksack wiegt heute 770 statt 2100 Gramm. Meine Winterjacke 322 statt 1380 Gramm. Alleine hier konnte ich also schon über zwei Kilogramm Gepäck abspecken. Für die erste Etappe meiner Weltreise im Herbst 2013 habe ich meine Wohnung mit 7.187 Gramm Gepäck verlassen. Das Startgewicht, also die am Körper getragenen Klamotten und Gegenstände mitgerechnet, betrug 9.189 Gramm. Aber ich laufe ja nicht nackt mit meinem Rucksack durch die Gegend. Das wäre ja noch verrückter…
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Aufnahme meines Rucksacks in der „Kofferlehre“ am 24. April 2013 anlässlich einer Probefahrt mit der U-Bahn zum Nürnberger Flughafen.