„Bevor wir hinaufgehen habe ich noch ein Warnung“, sagt unser Bergführer, als wir fast am nebelbedeckten Gipfel angekommen sind. Wir hören einen lauten Knall und sehen in den Nebelschwaden einen schwarzen Rauchpilz in den Himmel aufsteigen. „War das die Warnung?“, fragt einer aus der Gruppe.
Die Gruppe lacht. „Ja.“ Nach und nach verziehen sich die Wolken mystisch über die Bergkuppe gleitend und geben den Blick auf den schwarzen Kraterrand frei. Über uns blauer Himmel, unter uns das Meer, in dem die Sonne gleich versinken wird.
Als wir die letzten Meter hinauf zum Kraterrand gehen, deutet unser Bergführer auf einen etwa faustgroßen Stein auf dem Boden. Er dampft noch. Gut, dass wir Helme aufhaben. Während des rund einstündigen Aufenthaltes auf dem Gipfel erleben wir bei zunehmender Dunkelheit etwa zehn weitere Eruptionen mit Asche und glühender Lava.
Ich befinde mich auf dem einzigen daueraktivem Vulkan in Europa, dem Stromboli, einer Mittelmeerinsel in Sizilien. Schon vor über 2000 Jahren bezeichneten ihn Seefahrer als „Leuchtturm des Mittelmeeres“. Bei völliger Dunkelheit, den wunderschönen Sternenhimmel über uns ausgenommen, steigen wir die rund 900 Höhenmeter wieder hinab nach San Vincenzo, wo wir nach 1,5 Stunden gegen 21:30 Uhr angekommen. Der Aufstieg dauert rund 3 Stunden. Eigentlich wollte ich einmal im Leben einen aktiven Vulkan sehen. Doch ich bin so begeistert, dass ich beschließe, morgen noch einmal hinaufzusteigen. Diesmal über eine andere Route. Zunächst bringt Frank unsere Gruppe mit seinem Motorboot nach Ginostra, einer Ortschaft mit etwa 50 Einwohnern auf der anderen Seite der Insel. Eine Straße gibt es nicht. Der Aufstieg ist anstrengender als die Route ab San Vincenzo, lohnt sich jedoch aufgrund der schönen Aussicht und der Durchquerung des Mondtales. Schwarze Felsbrocken auf schwarzem Sand, am Ausgang des Tales erblicken wir das Meer, über uns strahlend blauer Himmel. Diesmal können wir nicht bis ganz zum Gipfel hinaufsteigen. Der Wind bläst saure giftige Dämpfe und Asche über den Kraterrand. Dennoch sehen wir einige schöne Eruptionen.
Am dritten Tag steige ich mit einem Teilnehmer der gestrigen Gruppe zu einer Stelle an der Sciara del Fuoco auf, wo sich eine gute Aussicht auf den Krater bietet. Bei großer Aktivität fließt hier glühende Lava hinunter bis ins Meer. Wir stoppen auf auf 400 Meter Höhe, denn darüber hinaus darf man den Stromboli aus Sicherheitsgründen nur mit einem Führer betreten. Diesmal spuckt der Berg nur Asche und wir sehen fast keine Lavaeruptionen.
Nach drei Tagen Stromboli verbringe ich weitere drei Tage auf der Vulkaninsel Vulcano. Auch sie gehört zu den sieben Liparischen bzw. Äolische Inseln, deren andere fünf Filicudi, Alicudi, Lipari, Panarea und Salina heißen. Schwefelhaltige Gase treten auf Vulcano aus, schon am Hafen riecht es überall nach fauligen Eiern. Den zuletzt im Jahr 1890 ausgebrochenen Vulkan kann man ohne Führung besteigen.
Wie gehts weiter?
Morgen fahre ich mit dem Schiff nach Milazzo und weiter mit dem Nachtzug nach Pisa. Dort steige ich am Samstagmorgen aus, werde durch die Stadt bummeln und mir den Schiefen Turm anschauen. Nachmittags bringt mich ein Intercity entlang der ligurischen Küste nach Mailand, wo ich weitere drei Nächte verbringe, um mir die Expo anzusehen.
Ach ja
Angereist bin ich mit dem Zug zunächst von Nürnberg über München und Franzensfeste bis Bruneck. Dort habe ich mir das MMM Corones angeschaut. Corones ist das sechste und letzte Museum von Reinhold Messner und befindet sich auf dem Kronplatz, dem Hausberg von Bruneck. Das unterirdische Bauwerk ist ein architektonisches Meisterwerk aus Beton, Glas, Metall und Licht, ein Ort der Stille, der Entschleunigung und unvergessener Ausblicke. Trenitalia hat mich von Bruneck nach Neapel gebracht. Nach einem Stadtbummel bin ich abends in meiner Kabine auf der Nachtfähre eingeschlafen und am nächsten Morgen in Stromboli wieder aufgewacht.
Ich liebe es so zu reisen. Langsam und bodenständig. In Italien gibt es fast nichts Schöneres als sich in ein Bar zu setzen und Touristen zu beobachten. Sie hetzen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. Sie stauen nicht, sie sehen nicht. Sie plappern fortan und betrachten die Welt durch das Display ihrer Digitalkamera.
Wieder blitzt es auf dem Stromboli. Die Reisenden sehen live eine Lavafontäne. Der Tourist sieht sie auch – durch das Display. Doch das Bild ist natürlich völlig schwarz. Welches Land machen wir nächstes Jahr?
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Blitzfreie Aufnahme vom Vulkanausbruch auf dem Stromboli.